Auf Zeitreise durch die Altenpflege: Anja Kohlhaas und Carsten Bachert schauen sich alte Fotos vom Caritas-Altenzentrum St. Josef in Arzbach an, das in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert.Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn e.V./Holger Pöritzsch
Wenn Anja Kohlhaas und Carsten Bachert durch die alten Fotos blättern, dann tun sie das mit einem Lächeln - aber auch mit einer gewissen Dankbarkeit. Dankbarkeit darüber, was sich in der stationären Altenpflege alles getan hat in den letzten Jahrzehnten. Beide haben früh ihren Weg in die Pflege gefunden, beide sind heute Einrichtungsleiter der drei Altenzentren des Caritasverbandes Westerwald-Rhein-Lahn: Kohlhaas in Hachenburg und Arzbach, Bachert in Lahnstein. Zusammen bringen sie über 60 Jahre Pflegeerfahrung mit. Ihre Botschaft: "Nein, früher war nicht alles besser. Im Gegenteil - die Altenpflege hat eine unglaubliche Entwicklung gemacht."
"Früher wurde vor allem nach dem Motto gepflegt: satt und sauber. Heute stehen die Würde und die Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner im Mittelpunkt", sagt Anja Kohlhaas. Sie weiß, wovon sie spricht: Als Schülerin absolvierte sie ein Praktikum im Krankenhaus, und damals war für sie schnell klar - Pflege ist Berufung! Nach Umwegen über eine Bauzeichnerlehre fand sie ihren Weg zurück in die Pflege und begann ihre Ausbildung bei der Caritas. Später bildete sie sich stetig fort. Heute leitet Anja Kohlhaas zwei Caritas-Altenzentren - mit Stolz und Leidenschaft.
Was sich verändert hat? "Heute entscheiden die Menschen selbst, wann sie aufstehen, wann sie duschen, was sie essen. Es gibt beispielsweise keine Badetage mehr. Und ja - auch das Recht, mal zu sagen: ‚Ich will nicht‘, gehört dazu", erklärt Kohlhaas. Was früher unvorstellbar war, ist heute gelebte Praxis.
Anspruchsvoll und professionell
Auch Carsten Bachert, gelernter Altenpfleger mit späterem Studium der Sozialen Arbeit, beobachtet die Entwicklung mit Respekt: "Pflege ist ein hochkomplexer Beruf geworden. Die Anforderungen sind gestiegen, das Wissen hat sich enorm erweitert - und das ist gut so", sagt der Lahnsteiner Einrichtungsleiter.
Vor allem die Prävention spielt heute eine große Rolle. "Früher wurde oft erst gehandelt, wenn das Problem da war. Heute denken wir vorausschauend - wir beobachten, dokumentieren, beugen vor", sagt Kohlhaas. Sie nennt ein Beispiel: "Wenn jemand stürzt, ist das heute nicht mehr einfach ein Unfall - es ist ein Alarmsignal, das uns zeigt, dass wir handeln müssen."
Dabei hilft auch moderne Technik: Tablets, EDV-gestützte Dokumentation, automatisierte Pflegehilfen. "Wir sind da in unseren Einrichtungen wirklich gut aufgestellt", sagt Bachert. Digitalisierung als Chance - auch das gehört heute zur neuen Pflege dazu.
Anja Kohlhaas (58) ist seit über 35 Jahren im Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn tätig – ihre Ausbildung zur Altenpflegerin absolvierte sie damals selbst bei der Caritas. Seit 2014 leitet sie das Altenzentrum in Hachenburg, seit 2024 zusätzlich die Einrichtung in Arzbach. Für sie ist Pflege weit mehr als ein Beruf – es ist ihre Berufung.Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn e.V.
Beziehungen statt Routinen
Trotz aller Struktur und Technik: Pflege ist und bleibt Beziehungsarbeit. "Wir erleben Menschen in ihrer letzten Lebensphase", sagt Carsten Bachert. "Da geht es nicht nur um Körperpflege. Es geht um Würde, um Vertrauen, um Begleitung." In Lahnstein essen viele der Bewohnerinnen und Bewohner täglich im hauseigenen Café Nächstenliebe, wie übrigens auch die Kinder der Kita Arche Noah. "Da entstehen Gespräche, Beziehungen, echte Nähe", erzählt er. "Ich esse selbst regelmäßig mit - das gehört für mich dazu."
Und auch die Biografiearbeit hat heute einen ganz anderen Stellenwert als früher: "Wir müssen nicht unbedingt wissen, was jemand beruflich gemacht hat - wir müssen wissen, was ihm wichtig ist. Wie jemand gerne schläft. Welches Parfum sie mag. Ob er eine zweite Decke braucht", sagt Kohlhaas. "Es sind die entscheidenden Kleinigkeiten, die den Unterschied machen."
Beruf mit Perspektive & Herz
Beide Einrichtungsleitungen sind sich einig: Pflege ist ein Beruf mit Zukunft - und mit Sinn. "Man kann gestalten, man kann sich einbringen, und man bekommt unglaublich viel zurück", sagt Bachert. Auch für junge Menschen sei der Pflegeberuf attraktiv - wenn man ihn entsprechend präsentiert: "Wir haben tolle Entwicklungsmöglichkeiten. Viele denken immer nur an Waschen und Essen anreichen. Aber Pflege ist so viel mehr. Pflege ist echte Interaktionskunst. Wer möchte, kann Karriere machen: vom Azubi zur Leitung - so wie wir."
Carsten Bachert (52) ist seit Mai 2024 Einrichtungsleiter im Caritas-Altenzentrum in Lahnstein. Der gelernte Altenpfleger blickt auf 25 Jahre Erfahrung in der Pflege zurück und hat später noch Soziale Arbeit studiert. Sein Anspruch: professionelle Pflege mit Herz, Haltung und Menschlichkeit.Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn e.V.
Kohlhaas ergänzt: "Und es gibt kaum einen Beruf, in dem man so viel über das Leben lernt. Die Geschichten der Menschen, die man betreut, sind unbezahlbar." "Gute Pflege funktioniert nur im Team", sagt Anja Kohlhaas. "Das Miteinander zwischen Pflegekräften, Hauswirtschaft, Betreuung, Verwaltung - das muss stimmen." Auch deshalb wird Teamkultur großgeschrieben. In Arzbach und Hachenburg wie auch in Lahnstein gehören regelmäßige Teamrunden, Supervision und ein offener Austausch dazu. Bachert unterstreicht: "Die Haltung ist entscheidend. Wir begleiten Menschen in einer sensiblen Lebensphase. Da sind Respekt, Empathie und Verlässlichkeit das A und O."
Und: Gute Pflege braucht auch gutes Zeitmanagement. "Pflegekräfte müssen priorisieren können - und sie brauchen die Freiheit, im richtigen Moment innezuhalten. Wenn jemand reden will, dann muss das möglich sein. Das gehört zur Würde."
Alltag mit Abwechslung
Auch wenn der Arbeitsalltag oft fordernd ist - langweilig wird es nie. "Kein Tag ist wie der andere", sagt Carsten Bachert. "Manchmal geht es sehr emotional zu, manchmal lachen wir Tränen. Pflege ist mitten im Leben." Was sie besonders erfüllt? "Wenn ein Mensch am Ende seines Lebens friedlich gehen kann und man weiß: Wir haben alles dafür getan, dass er sich sicher, geborgen und wertgeschätzt gefühlt hat", ergänzt Anja Kohlhaas.
Ausbildung mit Zukunft
Alle drei Caritas-Altenzentren bilden regelmäßig aus - und suchen junge Menschen, die Lust haben, Verantwortung zu übernehmen. "Wir brauchen junge Leute, die was bewegen wollen", sagt Bachert. "Und wir zeigen ihnen, dass Pflege nicht altmodisch, sondern modern, relevant und menschlich ist." Die generalistische Pflegeausbildung, die seit einigen Jahren gilt, eröffnet vielfältige Chancen: "Damit stehen einem viele Wege offen - von der Altenpflege bis zum Studium oder zur Fachweiterbildung", so Kohlhaas.
"Müssen aufhören zu jammern"
Trotz allem: Noch immer ist das Bild der Pflege in der Öffentlichkeit oft von Überlastung und Stress geprägt. Das müsse sich ändern, finden beide. "Wir müssen aufhören, uns für unseren Beruf zu entschuldigen", sagt Kohlhaas. "Pflege ist ein schöner, sinnvoller, anspruchsvoller Beruf. Und wir müssen das auch zeigen - mit Stolz." Bachert nickt: "Es gibt so viele schöne Momente in unserem Alltag. Wenn ein Bewohner lächelt, wenn man gebraucht wird, wenn ein Angehöriger dankt - das gibt’s nicht überall."
Und was würden die beiden "alten Hasen" einem jungen Menschen sagen, der überlegt, in die Pflege zu gehen? "Mach es! Weil du einen Beruf bekommst, der abwechslungsreich ist, in dem du viel lernst, viel zurückbekommst - und der nie langweilig wird", sagt Carsten Bachert. Und Anja Kohlhaas ergänzt: "Und weil es einfach der schönste Beruf der Welt ist."